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Channel: diePuppenstubensammlerin
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1 "Machen wir's uns gemütlich!" - "Let's make ourselves comfortable!"

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Eine "kleine" Geschichte des Wohnzimmers -  A "short" story of the living room in the dollhouse"

 Teil 1 1930 bis 1954  -  Part 1 1930 to 1954


Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich der Möbelstil einer modebewussten Minderheit in Richtung "Neue Sachlichkeit". Geometrische Formen, praktische Anbaumöbel und wenige Ornamente waren der Kontrast zum überladenen Stil der Gründerzeit. Am bekanntesten sind heute noch die Gestalter des Bauhauses und ihre Stahlrohrmöbel. 

Der allergrößte Teil der Bevölkerung lebte jedoch in den nur leicht veränderten Möbeln der Jahrhundertwende, d.h. im Stil eines gemäßigten Historismus, und auch die Wohlhabenderen  hielten  die neuen sachlichen Inneneinrichtungen für kalt und ungemütlich.


1930 Mein Eigenheim
Sofagarnitur eines Wohnzimmers. Streifenmuster. Über dem Sofa ein Bild.

After the First World War, the furniture style of a fashion-conscious minority developed in the direction of "New Objectivity". Geometric shapes, modular systems and few ornaments were the contrast to the overloaded style of the Wilhelminian era. Today the best known designers are the ones of the Bauhaus movement and their celebrated tubular steel furniture. However, the vast majority of the population lived in the only slightly altered furniture pieces from the turn of the century, and even the more well-off people considered the new Bauhaus interiors cold and uncomfortable. 


1930er Sessel von Paul Hübsch
Die zwei Armlehnenformen der Sessel - spitz und rund - sieht man genauso auch im Karstadt-Katalog von 1935


1935 Karstadt Polstersessel
Gemusterte Stoffe, gestreift oder kariert. Armlehnen gerundet oder spitz

1930s armchairs by Paul Hübsch. The two armrest shapes of the armchairs - pointed and round - can also be seen in the Karstadt catalog from 1935.


1930er Jahre Paul-Hübsch-Puppenmöbel 
aus "Traumwelten der Fünfziger Jahre"

1930s Paul Hübsch doll furniture

1935 Kaffeetrinken im Wohnzimmer. Über dem Sofa darf ein großes gerahmtes Bild nicht fehlen.
1935 Drinking coffee in the living room.
Typical: above the sofa is a large framed picture 


1932 Mein Eigenheim
Werbung: "Tapeten für den modernen Menschen"
Die Wände sind kahl und ohne Bilder. Auch die Möblierung ist karg und wirkt noch strenger durch die Stahlrohrmöbel: ein Tisch mit zwei Freischwingersesseln

Der Bauhausstil konnte sich nach 1933 nur außerhalb Deutschlands weiterentwickeln, z.B. in den USA, wo auch Marcel Breuer, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe arbeiteten.

Advertising: "Wallpaper for modern man".
 The walls are bare and without pictures. The furnishing is sparse and even more severe by the tubular steel furniture: a table with two cantilever armchairs. After 1933 The Bauhaus style could only evolve outside Germany, e.g. in the USA, where also Marcel Breuer, Walter Gropius and Ludwig Mies van der Rohe worked.


Aus der Sammlung  Bruchsal:
1939 Hermann Rülke
Stahlrohrmöbel im Bauhaustil aus der Vorkriegszeit
Pre-war Tubular Steel furniture - >Bauhaus style
Die Firma Hermann Rülke überrascht hier mit einem Miniaturwohnzimmer, das man im Jahr 1939 nicht erwartet hätte. 
Miniature furniture made by Hermann Rülke surprisingly as late as 1939.

Denn in den 30er Jahren war im nationalsozialistischen Deutschland die bevorzugte Stilrichtung im Wohnzimmer neo-klassisch und auch eher schmucklos. Der Bauhausstil wurde abgelehnt.
For in the 1930s, the preferred style in the living room was neo-classical in Nazi Germany.
The Bauhaus style was rejected. 
 "We want simplicity, but not primitiveness."
Quote from German Hausschatz 1938 


1938 Deutsches Wohnen, in: Deutscher Hausschatz

"Wie sieht es überhaupt mit unserer Wohnkultur der letzten Jahrzehnte aus? Trotz aller Errungenschaften der modernen Technik leider recht traurig, muß man sich eingestehen, wenn man besonders an den entsetzlich schwülstigen Jugendstil um die Jahrhundertwende denkt, der geradezu im Gegensatz zu dem letzten echten deutschen Stil, dem klaren, schlichten Biedermeier, steht. Doch schon vor dem Weltkrieg und besonders in den zwanziger Jahren trat glücklicherweise in der Form der Möbel eine wesentliche Besserung ein: Die allzu vielen Verzierungen verschwanden, und die
Formen wurden wieder schlichter und klarer gegliedert.

Allerdings schoß man nun auch wieder über das Ziel hinaus; in dem Bestreben, alles möglichst 'rationell' zu gestalten, waren bei manchen Architekten um 1930 nur mehr fast leere Zimmer mit kahlen Wänden und einigen Stahlmöbeln übriggeblieben. Vom Standpunkt des Reinmachens aus ja ganz bequem, aber ein 'Heim' stellt eine solcherart eingerichtete Wohnung wirklich nicht dar."

"Wir wollen Einfachheit, aber keine gesuchte Primitivität."

Alles Zitate aus Deutscher Hausschatz 1938



1938 Ein Mädel will heiraten:
1938 A girl wants to marry: What is needed to set up a micro-apartment ...

Was zur Einrichtung einer Kleinstwohnung nötig ist...

Möbel: Wohnküche bestehend aus Küchenschrank, Tisch und Kommode, Ruhebank mit Kissen und 2 Stühlen, RM 290,-  (plus Schlafzimmer 345,- = 635,- RM)

Oder - wenn man etwas mehr anwenden kann:
Wohn-Schlafzimmer bestehend aus 2 Schlafsofas mit Bettkasten, Kleider- und Wäscheschrank, kleinem Schreibschrank, Tisch und 2 Stühlen 570,-
(plus Küche 150,- = 720, - RM)

Vorhänge (6m Vorhangstoff), Teppiche (2 Vorleger), Lampen (4 insg.) 39,- RM

Ausstattung für 3000 Mark, mit Wohn-Esszimmer mit kombiniertem Geschirr- und Bücherschrank, Schreibtisch, Ausziehtisch, 4 Stühle mit Polster, Schreibtischsessel, Liege, Nähtisch
Ergänzungsmöbel: großer Polstersessel (120 RM), Stehlampe (30 RM), Teewagen (20 RM), einen Satz Tische (40 RM), Rundfunkgerät (150 RM)




 Nach dem Zweiten Weltkrieg war die einst führende Rolle Deutschlands auf dem Gebiet der Möbelentwicklung völlig gebrochen. Die Ideen der Zwanziger Jahre waren inzwischen durch die vielen, die Deutschland verließen oder verlassen mussten, in den USA weiterentwickelt worden.
Eine wichtige Rolle spielten jetzt die nordischen Länder Europas.
Deutschland musste neu Anschluss gewinnen und das gelang auf einigen Gebieten erstaunlich rasch. Zum Beispiel im Möbelentwurf:
hier wurde klar die Systembauweise bevorzugt.
Der internationale Anschluss bedeutete auch, dass dem sogenannten Internationalen Stil gefolgt wurde.
Doch zunächst blieb man noch in der Formensprache der Vorkriegsjahre und suchte den neuen Stil.
After the Second World War, Germany's once leading role in the field of furniture development was completely broken. The ideas of the twenties had meanwhile been further developed in the USA by the many who left or had to leave Germany.
An important role was played now by the Nordic countries of Europe. Germany had to gain new connections and succeeded in some areas surprisingly quickly. For example in furniture design: Here, the modular design was clearly preferred.
But in the beginning the design of the pre-war years prevailed.


1950 Hermann Rülke, DDR
Ein Wohnzimmer, das sehr wuchtig und schwer wirkt, trotz des hellen Holzes. Ein mit Schnitzereien verziertes schweres Buffet steht im Mittelpunkt.

In meinem Foto habe ich eine etwas andere Sofagarnitur gebildet als das Katalogfoto vorgibt, weil ich die niedrigen Polstermöbel zu dem Beistelltisch gestellt habe. Aber so war es damals gar nicht üblich. Der hohe Tisch steht immer noch vor dem Sofa, obwohl das doch sehr unpraktisch gewesen sein muss. In dieser kleineren Variante des Wohnzimmers gibt es keine Polstersessel.
Wie soll man es sich denn hier gemütlich machen?
A living room that looks very heavy, despite the light colour.
There are no armchairs in the smaller version of the living room, see catalogue photo below.
How was you supposed to make yourself comfortable here?





1950 Hermann Rülke, DDR
Hier sind kaum Verzierungen zu sehen, mit Ausnahme der leicht gebogenen Schrank- und Tischbeine, und durch die Verwendung von hellerem Holz und niedrigeren Schränken erzielt man eine aufgelockerte Wirkung.
Die Glasplatte auf dem Beistelltisch rechts hat ein Loch in der Mitte und ist nur lose aufgelegt. Es handelt sich um ein sogenanntes Rauchertischchen, auf das der Herr alle Utensilien zum Rauchen ablegen konnte. Damit die Holzoberfläche nicht beschädigt wurde, war die Oberfläche dieser Tische oft aus Metall, hier sehr elegant aus Glas.

This German livingroom is a complete set.
  Note the warm wooden colour and the wonderful craftsmanship. The small table is covered by a  glass plate. Formerly there were special tables designed for smokers where you could lay down your smoking accessories without the risk of burning the table. They often had a metal surface, here it is glass.

Schon hier sehen wir also zwei Möbelstile, zwei Einrichtungsmöglichkeiten, aus denen man wählen konnte. Im selben Katalog gab es noch weitere Wohnzimmer, von denen die meisten dem ersten wuchtigen Stil ähneln.
Already we see two furnishing options: light and heavy.




1952 Wilhelm Hergenröther, Nürnberg
Stahlrohrmöbel
"Moderne Puppenmöbel, elegante Clubgarnitur, Couch und Sessel sind mit abwaschbaren Plastikstoffen bezogen."

Die westdeutsche Puppenmöbel-Firma übernimmt zwei Jahre später den Bauhausstil der Zwanziger Jahre. Beispiele dafür finden sich auch in westdeutschen Wohnzeitschriften und Einrichtungsratgebern.
"Modern doll furniture, elegant club set, couch and armchair are upholstered with washable plastic." The West German doll furniture company takes over the Bauhaus style of the twenties two years later. 


1951 "Wohnungen gut eingerichtet"

1952
hat auch diese Erna-Meyer-Puppenfamilie ein Wohnzimmer in der eleganten Variante des Bauhausstils...
In 1952
this Erna Meyer doll family also had a living room with elegant tubular steel furniture ...


... während im selben Jahr das Caco-Familienleben in einer altmodischen und wuchtigen Wohnzimmereinrichtung stattfindet.
 ... while in the same year the Caco family life takes place in old-fashioned and massive living room furniture.


1954 Crailsheimer Wohnzimmer
in einfacher Ausführung, aber modernem Stil, d.h. Sessel ohne Lehnen, in drei verschiedenen Farben, Schrank und Tisch in hellem Holz, und natürlich ein Gummibaum.
A Crailsheimer living room in a simple but modern style, armchairs without armrests, three different colours, cabinet and table in light wood, and of course a rubber tree. 


1954 "Wir richten unsere Wohnung ein"
 Sesseldesign

In den Einrichtungsratgebern dieser Zeit findet man viele Tipps für das Wohnen auf engem Raum.
In the furnishing manuals of this time you get many tips for living in small rooms.



Hier eine Kammer für einen jungen Mann, die platzsparend mit Klappbett, Klapptisch und Klappstuhl ausgestattet ist.
Es gab wenig Wohnraum und meist kleine Räume. Deshalb kam es zu einer neuen "Mobilität", z.B. durch wegklappbare Tischplatten, ausziehbare Betten oder Schlafcouchen.
In dieser Zeit der Zuzugsgenehmigungen, Wohnraumbewirtschaftung und der sozialen Wohnungsbauprogramme empfiehlt 1953 die Gewobag Frankfurt a.M. für Kleinwohnungen des sozialen Wohnungsbaus zur Raumgewinnung eine zweckmäßige Einrichtung:
Einbaumöbel, Ausnutzung des toten Raumes, z.B. in Zimmerecken, keine schweren Stilmöbel. Nichts übermäßig Schweres, Dunkles, Unruhiges, das die Harmonie stört. Man soll vermeiden, die Räume mit Möbeln vollzustellen, die keinen Zweck erfüllen.
1953 Richtig Wohnen helfen. Versuch einer Lösung. Hg. Hans Kampffmeyer, Reinhold Tarnow. Hamburg

Here is a chamber for a young man, which is space-saving equipped with folding bed, folding table and folding chair.
The post war apartments were small. Therefore, a new "mobility" was necessary, e.g. with fold-away table tops, pull-out beds or sofa beds, built-in furniture, use of dead space, e.g. in room corners. It was recommended by housing associations to avoid filling the rooms with furniture that served no purpose.


1954 Von Jahr zu Jahr (DDR) - East Germany
 Hier wohnen zwei glückliche Menschen


Eine Ein-Raum-Wohnung, die als Wohn-Schlaf-Arbeits-Musikzimmer für zwei Personen, einschließlich Küche, dient. 
Here live two happy people
A one-room apartment that serves as a combined living room, bedroom, study, music room for two people, including a kitchen.



... wird fortgesetzt!
... to be continued!

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